Montag, 10. Dezember 2012

02/1972 ADAM - German Gay Magazine


Das wie ein Vereinsmitteilungsblatt wirkende Heft (angereichert mit Aktfotos) hat jetzt 32 Seiten (+8). Auch in dieser Homo-Publikation taucht der mit vielen Pseudonymen ausgestattete, Johannes Werres - hier als Norbert Weissenhagen - auf (im Vorwort ausdrücklich als Mitarbeiter erwähnt, während er im Impressum nicht auftaucht).

Die attraktiven, meist ganzseitigen Schwarzweissfotos sind ausgezeichnet reproduziert und gedruckt.


"Hallo Freunde! ... Übrigens danken wir unseren Hamburger Freunden bei der him für die freundlich gewährte Starthilfe in deren Heft 1, obwohl wir nicht damit einverstanden sein können, wenn man uns unterstellt, dass wir künftig die 'Vogel-Strauss-Politik' betreiben wollen, also nur noch 'unter uns' sehen ... Wir wollen uns nicht abschliessen von der Gesellschaft ... Wir wiederholen nur nicht die vielfachen Anbiederungsversuche, die wir nämlich langsam satt haben ... Wir gestalten unsere Zukunft selbst, fassen Sie mit an! ..."

Zu dem in Heft 1 vorgestellten "Berliner Büro" (Heinz Reber) heisst es in Heft 2: "Unseren Berliner Freunden teilen wir mit, dass wir unser 'Berliner Büro' aufgelöst haben."


"Ein populärwissenschaftlicher Report über die Geschlechtsumwandlung - Exclusiv-Interview aus Casablanca von Karl Petersen ... unter uns: Vor einiger Zeit erschienen in deutschen Zeitschriften sensationelle Berichte über geglückte Operationen in Casablanca. Sie leben hier seit längerer Zeit als Psychologe, Herr Siemens, und wir möchten gerne mit Ihnen auf einer etwas breiteren Basis über dieses Problem diskutieren. Was können Sie uns aus Ihrer Sicht im allgemeinen und besonderen dazu sagen? ..."

Es folgt kein Interview, sondern eine bis zum Beitragsende reichende 'Antwort' ... offenbar ein übernommener Text.

In den Anfangsjahren der kommerziellen Homo-Magazine ist die Geschlechtsumwandlung in Casablanca ein 'beliebtes', wiederholt auftauchendes Thema.


Rosa von Praunheim: Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation in der er lebt.

"Am 30. Januar 1972 war es soweit: der schon berüchtigte Streifen von Rosa von Praunheim wurde auf ein selektiertes Publikum probeweise 'losgelassen' ... 

Eine trübe Betrachtung von Horst Beermann ... 

Mit vereinten Kräften war die zunächst beabsichtigte Ausstrahlung des Films ... im 1. Programm des WDR verhindert worden: es protestierten u.a. unsere Kollegen von der him, unser Verband 'IHWO e.V.' und natürlich in zwei offenen Briefen auch wir [wohlgemerkt, Homosexuelle protestierten gegen die Ausstrahlung des Films]. Was schrieb uns noch am 30. Dezember 1971 der Fernsehspielverantwortliche Dr. Rohrbach vom WDR: 'Dass es für die Homosexuellen selbst bitter sein wird, so schonungslos mit ihrer tatsächlichen Situation konfrontiert zu werden, halte ich für wahrscheinlich.' Wohlgemerkt: so verteidigte nicht Praunheim sein Machwerk, sondern der WDR-Verantwortliche ... Praunheims Flimmerwerk aus der Klischeekiste stellt keine Aufklärung dar, zeigt nicht die Wirklichkeit des Homosexuellen und ist schon gar kein Schockauslöser für ein besseres Miteinander oder gar eine Gesellschaftswandlung ... Welche Umfrage und wann ergab, dass die meisten Homosexuellen die Klappen als Treffpunkte benutzen? ... Der Film würde, im 1. Programm ausgestrahlt, die Klischeevorstellungen sensationslüsterner Zuschauer ... erhärten ... Müssen wir uns durch Praunheim erst zu Nigger machen lassen? ... "

Wie Schriftleiter Beermann waren seinerzeit viele Homosexuelle, die Macher homosexueller Publikationen (linke Schwulenhefte ausgenommen) und auch ich über den vor Homo-Klischees nur so strotzenden Film entsetzt. Denn analog zu Praunheims persönlich praktiziertem Sexualverkehr in Pissoirs, Aborten, Urinalen (von Schwulen dezent als Klappe umschrieben) und nachts in öffentlichen Parks, reduziert er in diesem Film DEN Homosexuellen auf einen sexsüchtigen, schwanzgeilen Pissrinnen-Vögler.


Alle schwulen Publikationen füllten von Anfang an (und füllen bis heute) mit Eigenwerbung vollgestopfte Seiten. unter uns machte keine Ausnahme. Erstaunlicherweise wird in dem Antinoos-Versand nicht das im Heft wiederholt gelobte him, sondern das Konkurrenzblatt DON angeboten, allerlei heterosexuelle erotische Literatur sowie Casimir Dukahz (pädophil-pornografische) Knabenliebe und Peter Zupps (?) Knabenschule.


Alfred Charles Kinsey ... ein populärwissenschaftlicher Beitrag von Norbert Weissenhagen, eins von zahlreichen Pseudonymen eines schwulen Journalisten, den ich im Parallel-Blog - die Geschichte des Homo-Magazins DON - ausführlich würdige: Johannes Werres

Anzeige unten rechts: "Michael de Fonda, der Schlagerstar aus Andorra, würde sich freuen, wenn Sie noch heute den neuen grossen Katalog anfordern. Der Katalog bietet Ihnen Homo-Artikel, Magazine, Bücher, hautenge Pullover, hochaktuelle Herrenhosen in verschiedenen Farben ... special supereng gearbeitet und aus verführerisch glatten Serge-Stoffen. Ihre Freunde werden Sie beneiden ..."


Beide Fotos stammen von TOM men’s shop, Zürich, (der Link führt zu Details über den Inhaber Thomas Wetzel in DON 4/1978), der damals mit Anzeigen, den Fotos seiner Unterhosen-Modelle und das was man Schleichwerbung nennt, in allen kommerziellen Homo-Magazinen vertreten war. Ich übernehme hierzu einen Text aus meinem DON-Blog:

... TOM men's shop Anzeige in DON, der Beginn einer "wunderbaren Freundschaft" zwischen dem DON-Herausgeber Guy Gilbert = Günter Goebel und Tom = Thomas Wetzel, dem Berliner, der 1949 in die Schweiz kam und 1957 eine erste winzige Boutique in der Züricher Mühlebachstrasse 9 eröffnete.

unter uns wurde übrigens ab Heft 12/1977 als 'unter uns ADAM' von Günter Goebel übernommen. Dazu später mehr.


Rein pornografische Werbezettelbeilage der Scanbogpress, Kopenhagen, in dieser unter uns Ausgabe: "Zärtliche Knaben und starke Männer in heissen Liebesszenen. Sehr scharfe Farbfotos in ff-Qualität ... Starke Männer und tolle Lederburschen bei dramat. Spielen ... Bildhübsche Jungen befriedigen einander heimlich vor z.T. versteckter Kamera. Sensationelle Aufnahmen ... Mehr als 70 Farbfotos voller auf- und anregender Koitus-Positionen ... "

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