Henry Ferling, * 4.3.1913 - ?, Druckereibesitzer in Darmstadt, verheiratet mit
Herma Ferling, eine Tochter, engagiertes FDP-Mitglied, Verleger der beiden schwulen Magazine
DON (ab Heft 1/1973 bis Heft 7+8/1984) und
ADAM (ab Heft 15/1977 bis 50/1984) (beide 1984 verkauft an
Kurt-Joachim Foerster), siedelte 1984 auf seinen Altersruhesitz in Miami Beach, Florida.
Ich gehe davon aus, dass
DON, spätestens mit der Ausgabe 1/1972,
bereits in der Darmstädter Druckerei des
Henry Ferling hergestellt
wurde. Im Mai 1972 taucht der
HF-Druck (die Druckerei des Henry
Ferling) als Mitherausgeber im Impressum auf.
Henry Ferling,
ein im besten Sinne liberaler, immer ausgleichender, ungemein
sympathischer Druckermeister, war Besitzer
eines kleinen Hauses mit angeschlossener mittelgrosser Druckerei im 'Gewerbegebiet Südwest' von Darmstadt. Das Wort 'liberal'
bekommt hier eine besondere Bedeutung, insofern es in den 70er und 80er
Jahren verdammt schwer war, überhaupt eine Druckerei zu finden,
die bereit war, Publikationen mit homosexueller Thematik zu drucken (so etwas galt als
Pornographie und 'Schweinkram').
Henry Ferlings Interesse an der Zeitschrift DON, an seiner langjährigen Zusammenarbeit mit
Günter Goebel,
sein Kauf des Titels (Ende 1972) und dem Bemühen weitere
Homo-Publikationen in den Markt zu bringen, bestand darin, seine Firma
mit eigenen, regelmässig erscheinenden Druckobjekten von
schwankenden Auftragslagen unabhängiger zu machen. Die eigenen Zeitschriften boten Sicherheit
für eine gleichmässig ausgelastete Druckerei, zumal man Teile der eigenen Objekte in auftragsschwachen Zeiten z. B. vorab produzieren
konnte.
Und obwohl Ferling selbst nicht die geringste
Beziehung zum Thema Homosexualität hatte und weder Erfahrungen als
Grafiker/Layouter, noch als Journalist oder Verleger besass, hat er ab
DON 1/1973 - schwerpunktmässig bis zur Ausgabe 11/1975 - das Heft
teilweise gestaltet, Fotos ausgesucht, Texte ausgesucht und redigiert, aber auch
selber Vorworte und manch einen Text geschrieben. Selbst nach meinem Eintritt
in die Redaktion ab Heft 12/1975 und meinen Bemühungen um Neuausrichtung, um qualifiziertere Autoren, Fotografen und ein modernes Layout, mischte er gerne (still und leise) in fast allen
Bereichen mit.
Um eine Zeitschrift wirtschaftlich
betreiben und dem Leser zu einem vertretbaren Preis anbieten zu können,
ist sie auf kommerzielle Anzeigen angewiesen. Darauf setzten auch die Herausgeber ihre Hoffnungen, der ab 1969 neu auf dem Markt erscheinenden schwulen Periodika. Allerdings
hofften sie Jahrzehnte lang vergeblich auf Anzeigenkunden von
Markenherstellern, Modefirmen, Dienstleistungsanbietern usw. Nahezu alle
veröffentlichten Inserate stammten aus der Szene: von schwulen Bars, Saunen,
Sex-Shops, Ferienhäusern, Versandgeschäften, Callboys oder später z.B. Telefonsexanbietern. Um Anzeigenpräsenz zu demonstrieren, wurden
alle schwule Zeitschriften mit Eigenanzeigen gefüllt.
Kurt-Joachim Foerster und
Bruno Gmünder beispielsweise, setzten ihre Periodika exzessiv als Reklametrommeln für den Verkauf eigener Angebote (Druckwerke, Sex-Toys, Porno...) ein.
Keiner von beiden, weder
Günter Goebel, noch
Henry Ferling,
hatten je ein verlegerisches Konzept für die Zeitschrift DON, geschweige denn für eine
einzelne Ausgabe.
Goebels Interesse für den Markt schwuler Publikationen, Kenntnisse über
Konkurrenzsituation und Zielgruppe (bzw. mögliche
Zielgruppen) waren gleich null - von den Erwartungen, Interessen und Bedürfnissen seiner Zielgruppe ganz zu schweigen.
Ferlings Interesse wurde nur kurzfristig
geweckt, wenn man ihn damit konfrontierte. Beide 'träumten' von 2-3 Millionen homosexuellen Männern im Land (BRD West) und waren überzeugt, dass ein gewisser Prozentsatz davon potentielle Käufer ihrer Blätter sein
müssten.
So lange
Henry Ferling über die Inhalte von DON selber entschied, wurde das Magazin aus dem Moment und mehr noch "aus der Schublade heraus" gemacht. Das heisst: Was sich an Texten und
Bildern gerade angesammelt hatte, wurde in die nächste zu produzierende
Ausgabe gesteckt. Am augenscheinlichsten zeigt sich diese Ideen- und Konzeptlosigkeit in der 'Bebilderung'; ganz besonders bei den (oft regelrecht verkaufs
abträglichen) Titelbildern. Aber auch an der Vielzahl schwuler (und schwülstiger) Geschichten oder Nachdrucken aus Zeitschriften und Büchern. Je mehr schreibende Leser, Möchtegernschreiber und tatsächliche Autoren Manuskripte an den Verlag geschickt hatten, desto mehr von diesem Material wurde in das zu produzierende Heft geradezu hineingestopft. Da man -
konzeptionslos - die Verkaufsauflage auch auf Dauer nie spürbar hochschrauben konnte,
brachte man anstelledessen immer wieder neues, zusätzliche
Homo-Titel auf den Markt - beispielsweise
ADONIS und
ADAM
- die nicht nur mit ähnlichen schwulen Magazinen anderer Verlage
konkurrierten, sondern sich zu allem Überfluss auch noch mit den eigenen Objekten Konkurrenz machten.
* In den vier Jahren von Januar 1976 bis Dezember 1979 hat
Henry Ferling die Redaktion, Konzeption und Gestaltung von DON komplett mir (
Jens M. A. Reimer) übertragen.
* In den drei Jahren 1980 bis Ende 1982 lag die Gesamtverantwortung bei
Gerd Talis (= Gerhard Friede); jene Jahre, in denen die Verkaufsauflage bis an die Schmerzgrenze abrutschte.
* Auf dringenden Wunsch Ferlings übernahm ich ab 1983 sukzessive erst wieder die Gestaltung und Bebilderung, letztendlich dann auch die Redaktion. Da ich im Impressum nicht mehr erscheinen wollte, wurde dort ein 'Redaktions-Team' genannt.
* Der Übergang zu
Dorin Popa war fliessend, der 1984 die Redaktion der letzten DON-Ausgaben in der Ferling-Ära verantwortete.
Am 4. März 1984 feierte
Henry Ferling seinen 71. Geburtstag.
Die Übergabe der Druckerei an einen Nachfolger war geregelt. Anfang Februar 84 hatten er mit seiner Frau in Florida Urlaub gemacht und dort auch ihren
künftigen Alterssitz organisiert. Nur für seine beiden Verlagsobjekte
hatte er noch keinen Käufer gefunden. Das chaotische Ende wird in "
Wie das DON-Magazin vom Ferling-Verlag zum Foerster-Verlag kam" kurz angerissen.
Der obige "Abschiedstext" war einer der typisch ferlingschen Alleingänge. Dazu habe ich (
Jens M. A. Reimer) ihm schriftlich mitgeteilt:
"
... Ich kenne Herrn Foerster nicht. Ich habe ihn auch nie
kennengelernt. Und ich verspüre auch kein Verlangen, ihn kennenzulernen.
D.h. Ich war nie ein Freund von Kurt-Joachim Foerster, und ich pflege mir meine Freunde selber auszusuchen ... "
Bitterer Nachgeschmack
In einem Ferling-Brief (19.4. 1984) an mich schreibt er u.a.:
" ... wie sehr ich Ihr Können, Ihre Leistungen für DON und ADAM als von niemandem als von Ihnen allein erbringbar ansah und ansehe ... "
"... Herr Reimer, eine Tätigkeit in einem solchen engagierten Ausmaß zu solchen 'Honorarsätzen' kann man nicht einmal seinem besten Freund zumuten ... "
" ... ich Ihnen ausdrücklich bestätigen, mit welch bewundernswerter Akribie Sie Ihre Tätigkeit stets ausübten, wie Sie in bei unserem Verhältnis kaum nötig gewesener Sorgfalt Kosten aufgliederten, wie Sie mit über alles Mass hinaus im Verkehr mit Autoren den ramponiert gewesenen Ruf des Verlags korrekt und seriös wieder herstellten ... "
Alles billiges Wortgeklingel
Henry Ferling hat immer korrekt meine (niedrig kalkulierten) Rechnungen bezahlt. Und anlässlich geschäftlicher Besprechungen durfte ich dreimal in seinem Haus übernachten.
Das war's.
Nur was im jeweiligen Heft gedruckt stand, wurde auf Zentimeter, Heller und Pfennig abgerechnet. D.h. Henry Ferling hat NIE einen einzigen Pfennig für Redaktionskosten (Telefon, Porto, Schreibarbeiten ...), nie für redaktionell notwendige Reisen (u.a. zu ihm, zu Fotografen und Recherchen, Übergabe Talis ... ), nie den immensen Zeitaufwand für Autoren und Fotografen (Suche, Korrespondenz, Abrechnungen, Belegversand ... ) bezahlt - - - geschweige denn auch nur nachgefragt, wie man denn trotz all dieser Ausgaben zurechtkomme.
Henry Ferling hat mir persönlich nie ein Geschenk, eine Flasche Wein, eine Sondergratifikation oder (was in der Branche vermutet und herumgetratscht wurde) eine
kostenlose Anzeige für unseren
Top-Versand ......... zukommen lassen.
Vielmehr hat Henry Ferling versucht, dem "treuen Freund" (Formulierung im Schreiben vom 19.4.84) die beiden Titel DON und ADAM zunächst für die Fantasiesumme 160.000,- DM anzudrehen, über die er am 5.3.1984 an Dorin Popa schreibt:
„... niemand würde mir DON abkaufen, wenn er sieht, dass auch jetzt
noch die monatlichen Erlöse nur die Druck-, Honorar- und Vertriebskosten
decken ... nicht solche für den Büroapparat, eine normal bezahlte
kaufmännische Kraft, geschweige denn vielleicht 500 Mark im Monat für
den Verleger ... “
Henry Ferling hat sich von dem "treuen Freund" (der sich oft uneigennützig für seine beiden Verlagsobjekte engagierte, der ihn in vielen Dingen beriet, ihm Ausarbeitungen machte, neue Redakteure, Autoren und Fotografen an Land zog, ihm Verlagsanzeigen und -prospekte kostenlos gestaltete ... )
- - - weder verabschiedet
- - - noch seine Florida-Adresse verraten
- - - geschweige denn jemals ein Lebenszeichen aus den USA geschickt.